#17 Vo Mikrophon und Inklusion

«Dä Scheiss, als ob i ufem Lokus sitz, wenn’s wottsch wüsse, säg der wo min Fokus isch, während ihr Texte schriibed als wäreds vo Vorschuelkids, stand ich äne, sogar wenn ich im Rollstuehl sitz – Freeze» - Stoppschild vo Freeze & Steven Egal

Das neueste Musikprojekt «OG Tapes» gemeinsam mit Steven Egal ist für mich persönlich eine Art Experiment. Die Fragen, die mich beschäftigen sind «Wie weit sind wir mit der Inklusion und wie weit kann ich als Rapper im Rollstuhl gehen?». Wird es akzeptiert, wenn ich als Behinderter eine grosse Klappe habe und mit Rollstuhl Punch Lines um die Ecke komme? Oder soll ich doch eher in der Rolle des tapferen Rollstuhlfahrers bleiben, der sein Schicksal und seine Krankheit heldenhaft erträgt?

Das Thema Inklusion – gemäss Definition «das Miteinbezogensein; gleichberechtigte Teilhabe an etwas haben» - wird zur Metaebene bei «OG Tapes». Ich will Teil der Rap Szene und Teil der Gesellschaft sein bzw. bleiben trotz meinen Einschränkungen.

An diesem Punkt ist es für mich eine regelrechte Gratwanderung. Mir ist klar, dass man für Veränderung Bewusstsein schaffen muss. Das heisst ich muss die Probleme benennen und mich als Behinderter zeigen, so wie jede andere Gruppe auch, die für Gleichberechtigung kämpft.

Auf der anderen Seite habe ich Mühe damit, meine Krankheit und meine Behinderung zu stark in den Vordergrund zu stellen. Vor allem wenn es um meine Musik geht. Nicht weil ich mich dafür schäme, sondern weil ich mich nicht darüber definieren will. Ich bin nicht meine Krankheit und ich bin nicht meine Behinderung. Wenn ich Texte schreibe und diese aufnehme, bin ich nicht behindert. Ich möchte keine Spezialdisziplin als «Rollstuhl Rapper» und den anderen Rappern auf Augenhöhe begegnen. Anerkennung oder Ablehnung erhalten, wie jeder andere auch.

Wenn ich also meine Geschichte erzähle, schaue ich mittlerweile sehr genau drauf, wie sie erzählt wird. Ich könnte schon einiges bekannter sein, wenn ich alle Medienanfragen angenommen hätte, die mir angeboten wurden. Oft war es aber der Wunsch, erneut meine Krankheitsgeschichte zu erzählen. Wie ich in der Küche hingefallen bin und aus dem Nichts innerhalb von Tagen meine Beinkraft verloren habe. Wenn ich dann antworte, dass ich diese Geschichte schon erzählt habe und jetzt vorwärts gehen möchte. Dass ich lieber über Musik, meine Projekte oder eben Inklusion reden würde, reduziert sich das Interesse markant.

Ich entschuldige mich an dieser Stelle auch gleich bei allen Medienschaffenden, mit welchen ich großartige Gespräche geführt habe und die ein ernsthaftes Interesse an meinen Anliegen hatten. Die gibt es natürlich auch und dafür bin ich sehr dankbar.

Ich versuche mit «OG Tapes» diese Gratwanderung zu gehen. Ich öffne meinen Mund und zeige mich. Ich hoffe das daraus neue Chancen entstehen, Dinge zu bewegen und zu verbessern. Mit einer weiteren Rollstuhl Punch Line aus «OG Tapes» verabschiede ich mich bis zum nächsten Mal und bestimmt nicht zum letzten Mal zum Thema Inklusion.

«Wotts uf de Thron schaffe, doch ah müesse chere ey, ha bim Zuegang gmerkt, er isch leider nid barrierefrei»

Liebe Grüsse, euer Freeze!

(Foto: Zoran Stojanovic / https://www.facebook.com/pixellove.ch)

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